Die jungen AfD-Wähler des Ostens

In Ostdeutschland fehlen junge Menschen. Zum Glück, muss man leider sagen. Denn in Sachsen-Anhalt gaben die Jungen der AfD den Vorzug. Die Landtagswahl offenbart was herauskommt, wenn ausgeprägte Heimatliebe auf mangelnde politische Reflexion trifft.

In Sachsen-Anhalt haben die Älteren der CDU die Wahl gerettet. Der 67-jährige Reiner Haseloff kann Ministerpräsident bleiben, weil ihm die Wähler über 45 mehrheitlich ihre Stimme gaben. Wäre es nach den jungen Leuten gegangen, hätte die AfD die Wahl für sich entschieden. Die Partei, die gegen Zuwanderung ist, Rechtsextreme in führender Position hat und sich mit Traditionswerten aus den 50er Jahren schmückt, punktete bei Sachsen-Anhalts Männern zwischen Mitte 20 und Mitte 30. Mit den jungen weißen Männern wird es schwierig.

Die ganz junge Jugend ist das natürlich nicht. Es sind jene Erwachsenen, die in den 90er und nuller Jahren groß wurden und die DDR nur aus Erzählungen kennen. Es sind die Eltern kleiner Kinder, die Gründer neuer Firmen, die gut ausgebildeten Angestellten. Es ist jene Generation, in die der Osten große Hoffnungen setzt. Ausgerechnet diese Generation ist nun zum Träger eines Ost-Klischees geworden, von dem alle hofften, es würde sich auswachsen mit der Zeit. Die jungen Macher treiben diese Mischung aus Gekränktheit und Renitenz, die den Ostdeutschen nachgesagt wird, noch ein Stück weiter als ihre Eltern. Und es braucht bei einer Landtagswahl die Alten als Korrektiv, damit eine rechtsextreme Partei nicht stärkste Kraft wird. Wie konnte das passieren?

Die Generation, in die der Osten große Hoffnungen setzt, wählt AfD. Und es braucht die Alten als Korrektiv

Es deutete sich schon länger an. Berge von Studien und Umfragen zeigen seit Jahren, dass an ebendieser Generation die politische Bildung, die man ihr angedeihen ließ, abperlte. Man erinnere sich an den Schock, den Sachsen 2016 erlebte, als der erste Sachsen-Monitor erschien. Die groß angelegte Umfrage förderte eine neue Risikogruppe zutage: Viele junge Sachsen, stand da in Zahlen, haben von Politik kaum Ahnung und bauen nur Aufgeschnapptes zusammen. Dazu gehören auffällig viele Vorurteile und Unreflektiertes über den Nationalsozialismus, mit dem so mancher kein Problem hat.

Als Ursache fand sich schnell der Umstand, dass die Schulen der 90er Jahre mit Politik fremdelten. Um sich den Vorwurf der Parteilichkeit zu ersparen, verzichteten Lehrer lieber ganz darauf, mit ihren Schülern politische Fragen zu debattieren. Seither gilt Politik in weiten Teilen der Bevölkerung als eine Art Mußeübung für Leute mit genügend Geld und Zeit. Aus der Nichtbeschäftigung ist Nichtwissen geworden – und schließlich Abneigung.

So entscheidet sich politische Positionierung an einfachen Ja-Nein-Fragen, wie der zur Braunkohle. In der Lausitz entschied der Kohleausstieg die zurückliegenden Wahlen. Die AfD konnte punkten, weil sie als einzige Partei Ja sagte zu dem Rohstoff, den die anderen aufgeben wollen. Ein Ja zur Kohle bedeutet in der ehemaligen Kohleregion der DDR noch immer ein Bekenntnis zur Heimat. Das wird gerade von der jüngeren Generation gefordert. Sich nicht von jugendlichem Klimaaktivismus verführen zu lassen, gilt als Ausweis einer bodenständigen Herkunft und vernunftorientierten Erziehung. Obwohl Fridays for Future auch in der Lausitz eigene Protagonisten hat, wird die Bewegung als ein Ding von außen angesehen – als eines von Kindern aus fremden Großstadtmilieus, denen das Wissen und die Verwurzelung fehlen.

Aus der Nichtbeschäftigung mit Politik ist Nichtwissen geworden. Und schließlich Abneigung

Heimatliebe wird von der Politik aktiv betrieben. In Zeiten des demografischen Wandels ist es für ländliche Regionen zu einer Überlebensfrage geworden, ihren Nachwuchs am Ort zu halten. Fast jedes Landratsamt hat sich bereits wissenschaftlich beraten lassen, wie man den eigenen Kreis für die jungen Leute so attraktiv machen kann, dass die bleiben wollen. Solche gut gemeinten Initiativen verfangen allerdings wenig, da heute kaum noch jemand an der nächstgelegenen Uni studiert, um gleich danach in der Stadt seiner Jugend ein Haus zu bauen. Ausbildungswanderungen sind global geworden – und die mühsam anerzogene Heimatliebe bleibt bei den meisten ideell. Der Lausitz-Monitor belegt, wie sehr die Schollenbindung der jungen Generation in der Breite schwindet. Während mehr als zwei Drittel der Lausitzer über 60 ihre Liebe zur Lausitz bekennen, tut das bei den unter 30-Jährigen nur ein Drittel. 45 Prozent in dieser Altersgruppe wollen wegziehen.

Das Wahlverhalten der Sachsen-Anhalter ist selbstverständlich dasjenige der Dagebliebenen. Bei denen trifft nun ausgeprägte Heimatliebe bei auf mangelhafte politische Reflexion. Keine gute Mischung ist das.

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