Frauke Petry ist ein politisches Ostphänomen

Frauke Petry hat die AfD erst in den Osten geholt. Sie hat die in Teilen rechtsextreme Partei, über die sie sich in ihrem neuen Buch aufregt, selbst geschaffen.

Ein Buch mit dem Titel „Requiem für die AfD“ garantiert im Jahr der Bundestagswahl Aufmerksamkeit. Die hat die Autorin Frauke Petry auch bekommen. In allen Zeitungen war die Ex-Vorsitzende der AfD mit ihrem Enthüllungsbuch Thema. So bald dürfte das nicht wieder vorkommen. Petrys politische Karriere dauerte vier Jahre und endete vor vier Jahren – einen Tag nach ihrem Einzug in den Bundestag, den sie in diesen Tagen verlässt. Grund genug, der politischen Figur Frauke Petry ein paar Zeilen zu widmen.

Frauke Petry ist 46 und hat aus ihrer Verbindung mit der AfD, die vor vier Jahren spektakulär scheiterte, noch einen Wahlkreis in Sachsen übrig. Nummer 158, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, das ist ihrer. Sie errang ihn 2017 als Direktkandidatin mit 37 Prozent. Petry wollte den schnellen Weg zur Macht und nutzte dafür die Alternative für Deutschland als Vehikel. Die wäre vielleicht als langweilige Professorenpartei in Vergessenheit geraten, hätte ihr Petry nicht das Gesicht verpasst, das heute alle kennen: das eines Sammelbeckens für Rechtsextreme.

Petry hatte alles, was der Osten wollte. Als Pfarrersfrau mit vier Kindern war sie ein Gegenentwurf zu der kinderlosen Pfarrerstochter im Kanzleramt

Frauke Petry ist ein Ostphänomen. 2013 erschien sie auf der Bühne und hatte alles, worauf der Osten gewartet hatte. Eine eloquente Frau, eine promovierte Chemikerin mit eigenem Unternehmen, eine Rückkehrerin aus dem Westen. Sie vertrat eine Art von Weiblichkeit, die den Ostdeutschen schmeichelte. Als Pfarrersfrau mit damals vier Kindern war sie praktisch der Gegenentwurf zur kinderlosen Pfarrerstochter Angela Merkel. Shakespeare hätte es nicht besser dichten können. Petry stellte sich als Politikerin vor, die auch in anderen Lebensbereichen Erfolge vorweisen kann. Wie gemacht für die frühe AfD, die damals so gern ideologiefreies Expertentum ausstrahlen wollte.

Mit ihr an der Spitze eroberte die Partei Landtag um Landtag. Petry war als Talkshow-Gast beliebt und gefürchtet. Sie trug dunkle Business-Anzüge und exzessive Sachlichkeit zur Schaue im Dienste einer Partei, die den Euro abschaffen und die Grenzen zu Polen dicht machen wollte. Sie warb für eine Offenheit in Richtung rechts, die bis dahin tabu war.

Die AfD ist in Ostdeutschland groß geworden – und das wäre sie nicht ohne die Strategin Petry. Ihre AfD gefiel den Leuten, denn sie war die perfekte Rache am Westen. Eine ganz eigene Größe, die die Etablierten erzittern ließ. Es dauerte nicht lange, bis die AfD allein deshalb erfolgreicher wurde, weil sie Erfolg hatte. Die Frau an der Spitze stand im Rampenlicht und dort warf sie selbstbewusst mit Vokabeln wie „Volk“ und „völkisch“ um sich. Das Bündnis mit dem Rechtsradikalismus, das sie ihren Ex-Kollegen nun in gedruckter Form vorwirft, hat sie selbst kreiert.

Petry und Pretzell posierten mit Wilders und lePen und als glückliches Paar in der Bunten. Doch dafür hatten ihre Wähler nicht viel übrig

Spätestens da hätte Shakespeare den Wendepunkt eingebaut, was das wahre Leben schließlich auch tat. Petry machte fatale Fehler, von denen die Integration problematischer Parteifreunde nur einer war. Die strengen konservativen Normen, die sie als Politikerin forderte, konnte sie nicht erfüllen. Ihre preisgekrönte Firma musste Insolvenz anmelden. Ihre neue Liebe inszenierte sie allzu offenherzig. Mit ihrem zweiten Mann, Marcus Pretzell, posierte sie für eine Homestory in der Bunten. Er nannte sie „dämonenhaft schön“. Das Paar baute zusammen mit Rechtspopulisten wie Marine lePen und Geert Wilders an einer „Festung Europa“ und schob sich über rote Teppiche. Doch dafür hat die AfD-Wählerschaft nicht viel übrig. Der „natürliche Instinkt einer Führungskraft“, den sie im Buch ihrem Vorgänger Bernd Lucke abspricht, kam ihr selbst abhanden.

So scheiterte ihr Coup am Tag nach der Bundestagswahl 2017. Petrys Rückhalt in der AfD war zu klein, um die Partei nach ihrem Austritt zu spalten. Die Strategin hatte sich verzockt. Das Vermächtnis, das zu einem anständigen Abgesang dazugehört, ist in Frauke Petrys Fall beachtlich. Sie hat eine AfD geschaffen, die Rechtsextremen zu Macht und Mandaten verhilft. Und die steht, trotz Requiem, heute stabil um die zehn Prozent.

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