Wo ein Kraftwerk verschwindet, muss ein Institut hin. Das ist die Erwartung in den Kohleregionen. Doch nicht in jedem leeren Raum kann großartige Forschung blühen. Dieses Problem beginnt schon in Leipzig.
Der Gründungsdirektor der Agentur für Sprunginnovationen hat sich seinen Job anders vorgestellt. Kaum eineinhalb Jahre nach der Gründung seines Hauses sieht sich Rafael Laguna de la Vera gezwungen, öffentlich auf sein Leid hinzuweisen. Die Spezialisten, die er braucht, kommen nicht zu ihm. Sie gehen lieber in die Wirtschaft. Damit kann die Agentur den Zweck ihres Daseins nicht erfüllen. Der lautet, große Geister zu finden, deren Ideen das Zeug haben, die Welt zu verändern.
Laguna ist ein Ostdeutscher mit spanischen Wurzeln. Auch auf sein Betreiben hin haben die Bundesministerien für Forschung und Wirtschaft die Agentur für Sprunginnovationen 2019 in Leipzig angesiedelt. Der Osten braucht mehr Bundesbehörden, die Kohleregion Mitteldeutschland braucht Ersatz für die Jobs, die sie verlieren wird. Das waren weitere Gründe für die Sprunginnovationen made in Leipzig. Nun stellt sich heraus, die findigen Geister sind schwer zu bekommen. Und Laguna, der eigentlich Unternehmer ist, klagt über die Zwangsjacke des öffentlichen Dienstes, in der er steckt. „Wir sollen Sprunginnovationen ermöglichen, müssen uns aber bei der Finanzierung von Forschungsprojekten an zahlreiche Verwaltungsvorschriften halten“, sagte er der Wirtschaftswoche. Ihn stört, dass er seinen Superhirnen nicht mehr zahlen kann, als die Vergütungsordnung vorsieht. Er droht sogar mit Kündigung.
Der Staat geht dahin, wo die Wirtschaft nicht freiwillig hingeht. Aber nicht überall, wo ein Kraftwerk funktionierte, funktioniert auch eine Universität.
Was ist das Problem? Es kreuzen sich Wissenschaftspolitik und Strukturpolitik. Beide verfolgen unterschiedliche Interessen. Wissenschaftspolitik will tolle Forschung hervorbringen, die sich sehen lassen kann und am besten noch etwas einbringt. Strukturpolitik will ansiedeln. Ob es nun Heimatstrategie heißt oder Strukturstärkung in den Braunkohlerevieren, gemeint ist immer das Gleiche: Geld aus Bundeskassen wird draußen im Land ausgegeben. Das Mittel dafür sind öffentliche Institutionen, also Behörden, oder Forschungseinrichtungen. Der Staat geht dahin, wo die Wirtschaft nicht freiwillig hingeht. In der Hoffnung, dass die Wirtschaft nachzieht. Das galt für Bochum in den 70er Jahren und gilt für Cottbus heute. Ansiedlungen gut bezahlter staatlicher Jobs sind die große Hoffnung von Städten wie Gräfenhainichen in Sachsen-Anhalt, Bedburg in NRW oder Weißwasser in der sächsischen Lausitz.
Die Reviere müssen sich bis 2038 neu erfinden und fordern, dass der Staat sie mit Institutionen versorgt. Das ist einsehbar. Aber es ist nicht so leicht, wie es klingt. Wo ein Kraftwerk funktionierte, funktioniert noch lange keine Universität. Das mag platt klingen, aber um Einrichtungen dieser Größe geht es. Die beiden Großforschungszentren, die demnächst in Sachsen entstehen sollen, werden pro Jahr 175 Millionen Euro kosten. Das ist der doppelte Jahresetat einer herkömmlichen Uni. Zwischen Cottbus und Zittau keimt eine Forschungslandschaft mit Dutzenden Instituten. Die meisten forschen rund um saubere Energien. Denn darum geht es: Um neue Energie, weil die alte weg muss.
Das Problem dieser Institute ist nicht das Geld. Sondern das Personal, das sie überzeugen müssen, in die Lausitz zu ziehen.
Das Problem dieser Einrichtungen wird auf Dauer nicht das Geld sein. Sondern das Personal, das sie finden müssen, um die großen Ansprüche zu erfüllen, die sie schon im Namen tragen. Ein Center for Advanced Systems Understanding (Casus) kann nur dann dauerhaft bestehen, wenn junge Wissenschaftler aus Harvard oder Cambridge bereit sind, nach Görlitz zu kommen. Ein Großforschungszentrum wird nicht automatisch dadurch bevölkert, dass 1600 Jobs ausgeschrieben werden.
Das ist die bittere Erfahrung der Agentur für Sprunginnovationen. Gut bezahlte öffentliche Jobs sind für internationale Superhirne nicht gut genug bezahlt. Ohne die jedoch sind die 151 Millionen, die der Bund in diese GmbH steckt, keine gute Investition. Selbst Leipzig, die dynamischste Metropole im Osten, muss sich mächtig anstrengen, um von denen gesehen zu werden, die sie haben will.
Liebe Christine Keilholz,
besten Dank für Ihren Beitrag. Allerdings ist ein wesentlicher Aspekt meiner Meinung nach nicht ganz exakt dargestellt:
Richtig ist, dass wir als Bundesagentur für Sprunginnovationen SPRIND bislang keinerlei Schwierigkeiten haben, junge Talente nach Leipzig zu locken — selbst für eine auf 2 Jahre befristete Anstellung und Bezahlung nach TVÖD.
Was Rafael Laguna sagen will: Wir brauchen für unsere Sprunginnovationsprojekte immer wieder auch „Superhirne“ mit „Superkräften“. Und da haben wir als Bundesagentur, die Steuergeld ausgibt, eben die grundsätzliche Schwierigkeit, dass wir beispielsweise Chip-Entwicklern (m/w/d) keine finanziell konkurrenzfähiges Angebot machen können, wenn die Konkurrenz Apple und Google in München mit entsprechenden Karriereperspektiven ist.
Das hat dann nichts mit dem Standort zu tun; sondern vielmehr mit der Tatsache dass die Bewertungs- und Vergütungsschablonen für einige Stellen nicht passen, die wir aber dringend brauchen, um Projekte mit Sprunginnovationspotenzial voranzubringen.
Daher unser Aufruf an die Politik, dass es möglich sein muss, einzelne ausgewählte Positionen (insbesondere bei den Tochterunternehmen der SPRIND; welche die Innovationen machen), vom „Besserstellungsverbot“ zu befreien.
Das sehen mittlerweie auch die Gesellschafter der SPRIND so. So sagte beispielsweise Wirtschaftsminister Altmaier am Wochenende:
https://www.wiwo.de/erfolg/management/deutscher-innovationspreis-2021-drohnen-gold-dazu-automatisierung-und-mrna/27364892.html
Altmaier räumte jedoch auch ein, dass es hierzulande in Sachen Innovationsförderung noch Raum für Verbesserung gibt. Das gelte insbesondere für die von Rafael Laguna geführte Agentur für Sprunginnovationen, die immer wieder auf Hürden stoße. „Wir stellen fest, dass mit den Mitteln des öffentlichen Haushaltsrechts, den Beschränkungen des Beamtenrechts und den vielen bürokratischen Anforderungen manche Initiative zu lange braucht, bis sie zustande kommt. Und deshalb müssen wir in dem Bereich besser werden“, sagte der Minister. Er zeigte sich aber optimistisch, die Probleme noch in dieser Legislaturperiode lösen zu können.
Beste Grüße
Christian Egle
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Hallo Herr Egle,
Vielen Dank für Ihre Nachricht. Genau darüber möchte ich mich gern mal mit Herrn Laguna unterhalten. Wäre das möglich in den nächsten Wochen? Ich arbeite hauptsächlich für die Lausitzer Rundschau in Cottbus, meine Themen sind Strukturwandel und Forschungsansiedlungen (daher der Schwenk mit den Standorten).
Viele Grüße aus Cottbus
Christine Keilholz
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Liebe Christine Keilholz,
sehr gerne. Meine E-Mail-Adresse haben Sie ja. Ich organisiere die Termine von Rafael Laguna und freue mich auf Mail von Ihnen.
Beste Grüße,
Christian
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