Die SPD hält am Kohleausstieg 2038 fest – und verkündet das in einem Lausitzer Kraftwerk, das schon 2028 aussteigt. Eine klimapolitische Absurdität, bei der es nicht mehr um Kohle geht. Sondern um Geld.
Olaf Scholz war in Jänschwalde und sprach den Mitarbeitern der Leag Mut zu. Insbesondere den jungen Leuten, die ihre Ausbildung beim Bergbaubetreiber machen, sicherte der Kanzlerkandidat der SPD seine Bemühungen um ihre sichere Zukunft zu. Scholz sagte Sätze wie „wir brauchen Strom, viel Strom“ oder „es geht um Arbeitsplätze, die an die Tradition anknüpfen“. Dafür bekam er Beifall und dem würde auch niemand widersprechen. Aber worum ging es eigentlich? Um eine verlängerte Zukunft für die Braunkohle-Industrie? Nein, es ging um Geld.
Dieses Geld ist an die Zahl 2038 gebunden. Das Jahr des Kohleausstiegs, beschlossen von Bund und Ländern, ist in Zweifel geraten, seit neue Klimaziele gelten. Deshalb legte die Bergbau-Gewerkschaft IGBCE größten Wert darauf, dass sich der SPD-Grande Scholz zum Ausstieg 2038 bekennt – was er selbstredend tat. Aber selbst in Jänschwalde, dem Flaggschiff der Lausitzer Kraftwerks-Flotte, wird die Kohle nicht mehr bis anno 2038 verstromt. Der letzte Block in Jänschwalde wird laut Plan 2028 abgeschaltet. Warum also ist die Zahl 2038 derart mit Emotionen beladen? Wegen der Firmenpolitik der Leag.
Der Bergbau-Riese Leag schafft Windräder an. Das ist ein Richtungswechsel für die Lausitz und ihre 100 Jahre alte Kohlekultur.
Der Lausitzer Bergbau-Betreiber ist kein Kohle-Unternehmen, das durch Entscheidungen der Klimapolitik dem Untergang geweiht wäre. Vielmehr steckt die Leag mitten in einer Transformation hin zu einem Energieunternehmen, das auch im Post-Kohle-Zeitalter eine maßgebliche Rolle spielen will. Entsprechend tönt es auch in der Eigenwerbung, wo man sich als „vielseitiges Unternehmen für Energie, Infrastruktur und Service“ vorstellt. Die rauchenden Schlote verschwinden aus dem Portfolio – stattdessen sprießen Windräder.
Die Leag drängt mit aller Kraft auf den Markt der Regenerativen Energien. Anfang des Jahres verblüffte der Bergbau-Riese mit der Ankündigung, 50 Windkraftanlagen anzuschaffen. Für die Lausitz und ihre 100 Jahre alte Kohlekultur war das ein nie dagewesener Richtungswechsel, den der neu bestallte Leag-Vorstand damit einläutete. Die eist unter Bergleuten verlachten Windräder werden die neuen Geldkühe. Man will „in die erste Liga der Windprojektierer“ vorstoßen, hieß es. Für die Kohleregion Lausitz ist das praktisch die Energiewende, die einzieht.
Diese Wende ist auch in Jänschwalde spürbar, wo schon mehr als einmal Kurzarbeit herrschte. Zuletzt unter den Vorzeichen von Corona, wie es offiziell hieß. Aber die Pandemie dürfte nicht der einzige Grund gewesen sein für die Entscheidung, die gekürzten Löhne durch staatliches Geld aufstocken zu lassen. Der Strom aus dem Kraftwerk lässt sich immer schwerer verkaufen. Die Leag vollzieht nun einen innerbetrieblichen Kohleausstieg. Das ist für das Unternehmen und seine rund 7400 Mitarbeiter sinnvoll, schließlich schwächelt das Geschäft mit dem Kohlestrom ohne Aussicht auf Erholung.
Um in der Energiewende erfolgreich zu bleiben, hat die Leag zwei Vorteile: Sie ist da und sie ist groß.
Um die Energiewende erfolgreich zu bestehen, hat die Leag zwei Vorteile: Sie ist da und sie ist groß. Mit all seinen Liegenschaften ist der Bergbau-Betreiber der wahrscheinlich größte Grundbesitzer der Lausitz. Dazu gehören auch die gigantischen Tagebaue, die das bieten, was der Windwirtschaft fehlt, nämlich viel Platz in menschenleerer Umgebung. Wenn irgendwo in Deutschland Windkraft im großen Stil aufgezogen werden kann, dann hier. Das weiß man am Leag-Platz in Cottbus sehr wohl – und äußert entsprechende Wünsche an die Politik. Planungsverfahren müssten schneller laufen als die bislang zehn Jahre, die es bislang braucht, ein Windrad zu errichten. Das ist eine Forderung, die der neue Vorstand Andreas Huck seit einem halben Jahr in alle Kanäle spielt – und die seine Belegschaft, für die Windkraft noch vor Kurzem als Jobkiller verschrien war, orchestriert. Und dann ist da die Gasleitung, die die Leag zum Kraftwerk Jänschwalde gelegt haben will, um dort ein neues Hybrid-Kraftwerk zu speisen.
Die Anliegen des Bergbaus werden dabei nach alter Sitte als Anliegen der ganzen Region präsentiert. Auch das hat wiederum finanzielle Gründe, denn nur dann können Strukturmittel in ein solches Vorhaben fließen. Bei 2038 geht es um Geld und Zeit. Diese Zeit will die Leag nutzen, um vom Kohle-Monopolisten zum Wind-Monopolisten zu werden.
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