Deutschlandweit entstehen neue Lokalmedien. Die Hauptstadt der Lausitz ist ein Teil dieses Booms. Auch wenn nicht jede gute Idee auch Erfolg hat.
Anfang des Jahres ging in Cottbus ein Newsletter-Magazin an den Start. Es war ein innovatives Medienprojekt, zugeschnitten auf Brandenburgs zweitgrößte Stadt. Unser kleines Team wollte damit etwas Neues anbieten, das irgendwie auch den Lokaljournalismus retten sollte. Treibende Kraft waren die Krautreporter aus Berlin, die mit ihrem Krautreporter-Magazin schon etabliert sind in der noch neuen Mediengründer-Szene. Gefördert wurden wir vom Medieninnovationszentrum Babelsberg.
Unser Plan war ein Angebot, das auf mitgliederfinanziertem Community-Journalismus basiert. Die Idee: Wir bringen die jungen, engagierten und progressiven Cottbuserinnen und Cottbuser dazu, unseren wöchentlichen Newsletter für fünf Euro monatlich abonnieren.
Es hat nicht geklappt. Ende Juni ist der Bus, so hieß unser Magazin, zum letzten Mal erschienen. Der Bus hatte nur wenige Leser, die Bezahl-Kampagne haben wir nicht mehr gestartet. Woran es lag, haben wir lange überlegt. Manche sagten uns, Cottbus sei für solche Versuche die falsche Stadt. Ich sehe das anders: Cottbus ist perfekt für solche Versuche.
Gegen ein schlechtes Image helfen keine schönen Geschichten, sondern nur relevante Geschichten
Die ehemalige Braunkohle-Metropole braucht dringend ein starkes Medium, das hier gewachsen ist. Cottbus muss sich mit dem Kohleausstieg wirtschaftlich und gesellschaftlich neu erfinden. Die Stadt, der nur wenige hundert Einwohner zur Großstadt fehlen, kann alles werden, wenn sie es richtig macht. Das geht nicht ohne eine eigene publizistische Stimme, die Mut macht.
Das Bild, das eine Stadt von sich aussendet, wird von den lokalen Medien geprägt. Jedes lokale Medium vertritt eine Erzählung ihrer Stadt. Wo eine neue Erzählung gebraucht wird, müssen neue Medien her. In Münster, Nürnberg und Greifswald solche Medien entstanden. Diese Online-Magazine bieten eine andere Sichtweise auf das lokale Geschehen an – und haben damit wachsenden Erfolg. Auch Cottbus ist Teil dieses Gründungsbooms. Aus gutem Grund: Denn Cottbus ist eine Stadt mit vielen Problemen.
Cottbus hat ein schlechtes Image. Cottbus gilt als braune Stadt. Das ist das Resultat rechtsextremer Aktivitäten, die im öffentlichen Leben auffallen. Rechtsextreme haben Cottbus für sich entdeckt als Ort, wo sie ungestört wirken können. Die Stadtverwaltung versucht, mit positiven Botschaften dagegen anzukommen. Gegen einen schlechten Ruf helfen aber keine schönen Geschichten, sondern nur relevante Geschichten. Die liefert nur der Journalismus.
Neue Medien können auf die Vertrauenskrise der Medienbranche besser reagieren
Neu gegründete Medien haben den Vorteil, dass sie unbelastet ans Werk gehen können: Sie müssen keine alten Lesegewohnheiten bedienen. Sie müssen keine teuren Apparate finanzieren. Sie können sich ihr Publikum aussuchen. Das unterscheidet sie von den regionalen Tageszeitungen und vom Rundfunk, die allen etwas bieten müssen.
Das Beste aber: Neue Medien können auf die Vertrauenskrise, in der die Medienbranche steckt, bestens reagieren. Sie fangen bei Null an, sie können sich das Vertrauen ihrer Nutzerinnen und Nutzer neu gewinnen. Das ist im Osten Deutschlands ein wichtiger Vorteil, denn hier ist das Vertrauen in die Medien besonders gering.
Der Vertrauensverlust ist entstanden, weil viele Menschen den Eindruck haben, die Medien zeigen sie nicht so, wie sie wirklich sind. Sie fühlen sich missverstanden von denen, die über sie berichten. Der Vorwurf, der seit den fremdenfeindlichen Pegida-Demonstrationen und spätestens seit den Protesten gegen die Corona-Schutzmaßnahmen immer wieder kommt: Man werde aus der Ferne bewertet von einer Presse, die sich vor Ort nicht auskennt. Da helfen gut angewandte Online-Recherchetechniken.
Gefragt ist ein aktivierender Journalismus, der Ideen einwirft und eine neue lokale Identität vertritt
In Cottbus gibt es eine Handvoll Institutionen, die eine professionelle Presse- und Öffentlichkeitsarbeit machen. Da reicht es nicht, einfach nur zu berichten. Hier muss Journalismus initiativ sein, Leute proaktiv ansprechen, Ideen einbringen und diskutieren. Journalismus muss den Mut haben zu ungewöhnlichen Vorstößen.
Cottbus ist die Hauptstadt des Kohleausstiegs. Hier muss es gelingen, den Weg hin zu einer CO2-neutralen Industrie zu finden, ohne dass die Menschen unter die Räder kommen. Nicht wenige Menschen in der Lausitz glauben, dass ihre Region ohne die Braunkohle keine Zukunft hat. Um diese kontroverse Zukunftsfrage zu beantworten, braucht es ein neues Medium.
Deshalb habe ich Anfang des Jahres ein zweites Newsletter-Magazin gegründet. Es heißt Neue Lausitz und befasst sich mit dem Strukturwandel. Dieser Wandel bringt neue Ansiedlungen, viel Fördergeld und Aufmerksamkeit. Dieser Wandel bedeutet, dass die Lausitz eine neue Identität entwickelt. Eine solche, die nicht von den rechtsextremen Heimatfreunden gekapert werden kann. Die Neue Lausitz steht für die Identität einer aussichtsreichen Kohleausstiegs-Region – und hat damit seit Mai einen wachsenden Kreis an zahlenden Abonnenten aufbauen können.